Realfabrik Fernsehen: (Serien-)Produkt "Mensch". Analyse von Real-Life-Soap-Formaten und deren Wirkungsweisen

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-11209
http://hdl.handle.net/10900/46225
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2003
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Neuphilologie
Gutachter: Straßner, Erich
Tag der mündl. Prüfung: 2003-11-17
DDC-Klassifikation: 791 - Öffentliche Darbietungen, Film, Rundfunk
Schlagworte: Big Brother <Fernsehsendung> , Reality-TV , Duales Rundfunksystem , Fernsehprogramm , Fernsehanalyse
Freie Schlagwörter: Real-Life-Soaps , Kult-Marketing , Echte-Leute-Fernsehen , Cross-Media-Techniken , Authentizität
real-life-soaps , Big Brother , cult-marketing , cross-media-techniques , reality-show
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_ohne_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Der 1. März 2000, der deutsche Sendestart von „Big Brother“ auf RTL II, kam einem Urknall gleich: Es war der Auftakt für ganz neue Formen des Realitätsfernsehens, den sogenannten „Real-Life-Soaps“. Der unnachahmliche Erfolg der ersten „Big Brother“-Staffel führte dazu, daß schon bald ein wahrer „Run“ auf dieses Genre einsetzte: Vor allem die Privatsender überboten sich gegenseitig mit unausgereiften Varianten dieses Quotenhits. Nach knapp einem Jahr waren die Zuschauer der kaum voneinander unterscheidbaren „Big Brother“-Kopien überdrüssig. Es hatte fast den Anschein, als wäre der Reality-Boom nur eine kurzlebige Modeerscheinung gewesen, denn zwischen Mitte 2001 und Frühjahr 2002 waren Formate dieser Art von der Bildfläche verschwunden. Wer jedoch das Genre der „Real-Life-Soaps“ schon für tot erklärt hatte, wurde rückwirkend Lügen gestraft. Nach einer Ruhepause erfuhr es vielmehr eine neue Blütezeit, die noch bis dato anhält: von Casting-Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ (RTL) und „Popstars“ (Pro 7) über Prominenten-Docusoaps wie „The Osbournes“ (MTV) bis hin zu Doku-Serien wie „Schwarzwaldhaus 1902“ (ARD). Zwar funktionieren diese Sendungen längst nicht alle nach dem klassischen „Big Brother“-Muster, dennoch ist der Einfluß des einstigen Vorreiters nicht zu übersehen. So bleiben die wichtigsten Genrecharakteristika auch in den jüngsten Sendekonzepten bestehen: 1. Eine bestimmte Anzahl an Personen wird dabei gefilmt, wie sie sich für einen längeren Zeitraum in einer vom Fernsehen arrangierten und von der Außenwelt abgeschotteten Extremsituation behauptet. In den jeweiligen Fernsehsendungen werden die aufgenommenen Ereignisse jedoch nicht einfach eins zu eins wiedergegeben. Vielmehr handelt es sich um eine verdichtete, dramatisierte Form der Alltagserzählung, die einerseits die Darstellungskonventionen dokumentarischer Texte übernimmt, andererseits der Dramaturgie fiktionaler Serien folgt. 2. Sendungen, die in der Tradition von „Real-Life-Soaps“ stehen, weisen das Strukturelement der Serialität auf. Dadurch, daß die Sendungen regelmäßig auf den Bildschirm wiederkehren, lassen sie sich optimal in den Lebensrhythmus der Zuschauer eingliedern. Sie werden damit zu einer festen Größe ihres Alltags – zu einem Ritual. 3. Die neuen Sendeideen sind allesamt Hybridformate, die verschiedene Konventionen aus fiktionalen und dokumentarischen Genres auf sich vereinen. So werden einerseits vielfältige Lesarten und Rezeptionshaltungen anderseits auch hinreichende Anschlußmöglichkeiten geschaffen. 4. Die neuen Protagonisten der Fernsehunterhaltung werden als alltägliche und „echte“ Menschen inszeniert, mittels derer die Sendeinhalte auf die Ebene der potentiellen Zuschauer heruntergeholt werden. Das Fernsehpublikum erkennt sich in den Handlungen der Medienakteure wieder, kann also eine direkte Verbindung zu der eigenen Alltagswirklichkeit aufbauen. Zugleich fungieren die Akteure auch als Identifikations- und Projektionsflächen, auf deren Grundlage der Zuschauer Identitätsarbeit leisten kann. Unlängst hat sich gezeigt, daß die ehemals harte Grenze zwischen Bildschirmwelt und Realität des Zuschauers brüchig geworden ist. Das liegt u.a. auch daran, daß Programmverantwortliche und Produktionsfirmen spätestens seit „Big Brother“ gezielt auf eine Erlebniskultur setzen. Mit „Kult-Marketing“, „Eventisierung“ und „Cross-Media-Techniken“ werden wahre Medienspektakel kreiert, die wiederum dafür sorgen, daß das Vermarktungspotential einer Sendung maximal ausgeschöpft werden kann. Das Phänomen der „Real-Life-Soaps“ kann in seiner Tiefe nur verstanden werden, wenn es vor dem Hintergrund verschiedener Einflußgrößen betrachtet wird. Auf Anbieterseite sind Zielpublikum, Interessenlage und die jeweilige Programmphilosophie ausschlaggebende Faktoren für die Entwicklung neuer Reality-Konzepte. Ein Abriß über die deutsche Fernsehgeschichte seit Bestehen des dualen Rundfunksystems macht deutlich, daß die neuen Formen des Programmdenkens letztlich auf den Wettbewerb zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Anbietern zurückgeführt werden können. Die Aufmerksamkeit und die Gunst des Zuschauers sind zu einem bestimmenden Maßstab geworden. Die Rezeptionsgewohnheiten und Ansprüche des Fernsehpublikums sind wiederum Ergebnis gesellschaftlicher Veränderungen. Hieraus erklärt sich auch die gesteigerte Suche nach dem „wirklich Echten“: Vor allem jüngere Zuschauer haben in der sogenannten „reflexiven Moderne“ ein erhebliches Orientierungsbedürfnis, das sie u.a. durch die Aneignung medialer Texte bedienen. Hier sind vor allem Sendeformen wie „Real-Life-Soaps“, die sich zu einem Forum für Lebensstile und Verhaltensweisen machen, ein idealer Ort der Selbstreflexion. Ziel der Arbeit ist, aufzuzeigen, daß „Real-Life-Soaps“ ein Produkt gesellschaftlicher sowie fernsehgeschichtlicher Strömungen sind. Sie sind mehr als eine Trendwelle: Mittlerweile haben sie ihren festen Platz im deutschen Programmangebot.

Abstract:

The 1st of March 2000, the day “Big Brother” was first broadcast on the German channel RTL II, was virtually the big bang in the German TV-industry: It markes the birth of completely novel forms of reality-TV – the so-called “real-life-soaps”. The inimitable success of the first “Big Brother”-series in turn led to a real run on this genre: Especially the commercial TV-stations were vying with each other in presenting hardly distinguishable variants of this quota hit. Not even one year had passed and the TV-viewers were completely oversaturated from these “Big Brother”-copies. It almost appeared that the “reality boom” had only been a short-lived, hype phenomenon, for nearly all series of this kind vanished from TV between mid 2001 and early 2002. Who, however, had declared the death of this genre, was taught otherwise. After a short break it was successfully brought back to life: starting with casting shows like “Pop Idol” (RTL) and “Popstars” (Pro 7), prominent docusoaps like “The Osbournes” (MTV) up to documentary series like “Schwarzwaldhaus 1902” (ARD). Although most of these series hardly function like the classical “Big Brother” model, one cannot fail to notice the influence of the popular predecessor. Due to this, the most important criteria of “real-life-soaps” are still apparent in the latest concepts: 1. A defined number of persons is locked away from public for a longer period of time. Surrounded by TV-cameras, they have to cope with an arranged extreme situation. On TV, however, the filmed occurences are not shown one-to-one. Moreover, it is an intensifyed and dramatised narrative form of everyday life. This on the one hand takes over typical techniques of documentation, on the other hand it follows the dramaturgy known from fictional series. 2. Programms standing in the tradition of “real-life-soaps” contain the particular element of serial-structure. By regularly appearing on TV, the shows correspond to the viewers’ agenda. They become an essential part of their daily life – they become a ritual. 3. All of the new programms are hybrid-formats: They combine various conventions known from fictional and documentary genres. Thus several different levels of interpretation as well as possibilities for communication are created. 4. The new protagonists of TV entertainment are presented as ordinary and “authentic” persons. By doing this, the contents of the series correspond to the contents of the potential viewers’ lives. The viewer recognizes himself in the TV-protagonists’ behaviour and can connect his own life to the contents watched on TV. At the same time, the protagonists function as figures of identification or projection which the viewer can utilize as bases for working on his own identity. It has turned out that the former boundary between the TV-world and the reality of the viewers has begun to crumble. Among other things, this can be led back to the fact that since the success of “Big Brother” the people responsible for the TV-programms as well as the production firms put their trust in an event-culture. With “cult-marketing”, “artificial events” and “cross-media-techniques” they create great media spectacles which at the same time secure that all of the series’ market potential can be depleted. The phenomenon of “real-life-soaps” cannot be understood properly without viewing it against the background of different influences. On the part of the TV-stations the target group, the specific interests and the respective business philosophy are decisive factors for developing new “reality”-concepts. By taking a close look at the German TV-history since the beginnings of commercial television it becomes evident that the programm makers’ new concepts can be put down to the competition between the commercial TV-stations and those stations under public law. The viewers’ attention and favour have been taken as a certain benchmark. The viewers’ habits and demands are in turn the result of social changes. From this point of view, the intensive search for the “really authentic” can be explained. In the so-called “reflexive modern age”, especially younger viewers are in considerable need of orientation which they – among other things – try to satisfy by consuming medial texts. In this respect, TV-programms like “real-life-soaps”, which become a forum for lifestyles and behaviours, are an ideal place for self-reflection. The aim of this thesis is to reveal that “real-life-soaps” are a product of trends in society as well as trends in TV-history. They are more than a fashionable appearance: By now they have occupied their own space in the German TV-programm offer.

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