Biometrische Untersuchungen des Stylopodiums, Zygopodiums und Metapodiums pleistozäner Ursiden im Hinblick auf die Evolution des Höhlenbären und die Klassifizierung des Fundmaterials Einhornhöhle / Harz

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-28939
http://hdl.handle.net/10900/49050
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2007
Sprache: Deutsch
Fakultät: 7 Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich: Geographie, Geoökologie, Geowissenschaft
Gutachter: Nebelsick, James (Prof. Dr.)
Tag der mündl. Prüfung: 2007-05-24
DDC-Klassifikation: 560 - Paläontologie
Schlagworte: Pleistozän , Mitteleuropa , Fossile Bären , Gliedmaßenskelett , Biostatistik
Freie Schlagwörter:
Pleistocene , Europe , ursids , postcranial skeletal elements , statistics
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

In der vorliegenden Dissertation "Biometrische Untersuchungen des Stylopodiums, Zygopodiums und Metapodiums pleistozäner Ursiden im Hinblick auf die Evolution des Höhlenbären und die Klassifizierung des Fundmaterials Einhornhöhle / Harz" wurden Daten des oberpliozänen Ursus etruscus, des pleistozänen Ursus deningeri sowie des Ursus spelaeus ausgewertet. Zur Datenerhebung wurden 249 Messgrößen an den Skelettelementen Humerus, Ulna, Radius, Metacarpalia I-V, Femur, Tibia, Fibula und Metatarsalia I-V bestimmt. Die 2.977 bearbeiteten Fossilfunde ausschließlich adulter Individuen stammen von 21 Fundstellen in Zentraleuropa. Aufgrund niedriger Fallzahlen fand das Fossilmaterial von Ursus etruscus keine Berücksichtigung in der vorgelegten statistischen Analyse. Die Daten von 2.890 deningeri- und spelaeus-Funden wurden mit uni- und multivariaten Verfahren analysiert. Den Analysen liegen zwei Ziele zugrunde: Zum einen sollen arttrennende Merkmale identifiziert werden. Zum anderen soll eine Zuordnung der Ursidenfunde aus der Einhornhöhle bei Scharzfeld im Harz zu den beiden Spezies Ursus deningeri und Ursus spelaeus vorgenommen werden, denn aufgrund fehlender bzw. mangelhafter feinstratigraphischer Erfassung des überwiegenden Teils der 595 Funde aus der Einhornhöhle ist deren Spezieszugehörigkeit umstritten. Dies gilt insbesondere für das Material der Altgrabungen. Datierungen des absoluten geologischen Alters der Fossilfunde waren bisher nicht möglich. Für die Analysen liegen von jedem der 16 postcranialen Skelettelemente zwischen acht und 25 Variablen und bis zu 56 Fälle pro Fundstelle vor (insgesamt 249 Messgrößen). Als neue Messstrecken wurden Breiten- und Tiefenmaße der Gelenkflächen eingeführt. Die statistische Auswertung erfolgte zu einem Teil univariat (t-Test, Welch-t-Test und U-Test nach Mann-Whitney auf Artunterschiede) und zu einem anderen Teil multivariat (Regressionsanalyse, Diskriminanzanalyse, Korrelationsanalyse, Faktorenanalyse). Das Datenmaterial einer jeden Spezies wurde in seiner Gesamtheit untersucht, ohne Untergruppen, wie z. B. Geschlechter, zu trennen – eine eindeutige Geschlechtszuordnung anhand einzelner Messstrecken oder Kombinationen von Messgrößen war hier nicht möglich. Signifikante Unterschiede zwischen Ursus deningeri und Ursus spelaeus konnten univariat in 26 der 249 Variablen festgestellt werden. Die gefundenen diagnostischen Merkmale wurden daraufhin untersucht, ob sie kongruent zu den Zeitreihen verlaufen oder zu diesen eine andere Korrelation zeigen. In 36 Variablen von Ursus deningeri und 31 von Ursus spelaeus zeigten sich positive lineare Regressionen, in acht dieser Messstrecken gibt es eine Übereinstimmung der Parameter. In dem hier untersuchten Zeitfenster von 900.000 bis 30.000 Jahren werden diese Messgrößen kleiner. Dies ist insofern bemerkenswert, als die Daten belegen, dass der jüngere Ursus spelaeus im Allgemeinen größer war als der ältere Ursus deningeri. Hier liegen demnach negative Korrelationen der Messgrößen zur Körpergröße der Ursiden vor, ein allometrisches Phänomen. Während Ursus deningeri zum Beispiel eine Abnahme der größten Länge sowie weitere Verkleinerungen und Verschmälerungen von Merkmalen hauptsächlich der Metapodien zeigt, lässt Ursus spelaeus eine Verkürzung der größten Länge und Verschmälerung der Diaphyse sowie weitere Merkmalsverkleinerungen im proximalen Bereich hauptsächlich des Stylopodiums erkennen. Eine Übereinstimmung der in der linearen Regressionsanalyse ermittelten Trends mit den 26 signifikant arttrennenden Variablen konnten in zwei Merkmalen von Ursus deningeri festgestellt werden. Dies sind zum einen die distale Diaphysenbreite der Tibia (BDd) und zum anderen die kleinste Epicondylenbreite (SBdE) des Metatarsalia V. Dass Ursus spelaeus größer war als Ursus deningeri wurde bereits früher mit einer zunehmenden Herbivorie in Verbindung gebracht. Darauf deuten auch insgesamt unterschiedliche Proportionen von proximalen und distalen Skelettelementen der beiden Ursidenspezies hin. Die längeren Metapodien des Ursus spelaeus im Verhältnis zum verkürzten Stylopodium werden mit einer zunehmenden Mobilität in Verbindung gebracht, möglicherweise einem zunehmenden Wanderverhalten über große Distanzen. Die im Rahmen dieser Untersuchungen beobachtete Verlängerung des Zygopodiums der Vorderextremität im Vergleich zum Humerus deutet ebenfalls auf eine zunehmende Cursorialität hin. Dies könnte mit der herbivoren Nahrungsgrundlage zusammenhängen, möglicherweise mit bestimmten Pflanzenarten. Es wurden 43 spezifische Variablenkombinationen identifiziert, mit deren Hilfe sich Ursus deningeri und Ursus spelaeus trennen lassen, zwölf davon mit einer Zuordnungswahrscheinlichkeit von 100%. Diese und andere Variablenkombinationen wurden in der Faktorenanalyse auf ihre Trennschärfe überprüft und somit Faktoren aufgespürt, die hinter den Größenunterschieden der Variablen, also hinter der Entwicklung der Ursidenspezies stehen. Die Korrelationsanalyse fungierte hier als Voruntersuchung, um Variablen mit gleichem Informationsgehalt weitestgehend zu eliminieren. Fünfzehn der 16 Skelettelemente erwiesen sich in der Diskriminanzanalyse als hervorragend geeignet. Fünf der zuvor als hervorragende Klassifikationsmerkmale erkannten Variablenkombinationen an Humerus, Ulna, Metacarpalia V und Metatarsalia V lassen den arttrennenden Faktor erkennen. Diese Methoden zur Artunterscheidung wurden am Beispiel des Fundmaterials aus der Einhornhöhle getestet. Von den 595 postcranialen Funden aus der Einhornhöhle konnten 108 den Spezies zugeordnet werden. Mit einer Zuordnungswahrscheinlichkeit von 100% wurden 55% der Ulna-, Metacarpalia III- und IV-, Femur-, Metatarsalia II-, IV- und V-Funde als Ursus deningeri klassifiziert. Mit einer Zuordnungswahrscheinlichkeit von > 95% wurden 75% der Metatarsalia I-Funde und mit einer Zuordnungswahrscheinlichkeit von > 90% wurden 83% der Radius-, Metacarpalia I-, II-, V- und Metatarsalia III-Funde als Ursus deningeri klassifiziert. Insgesamt wurde somit der überwiegende Teil der postcranialen Skelettelemente mit vollständigen Daten in den vorgegebenen Merkmalskombinationen dem älteren Ursus deningeri zugeordnet. Neugrabungsmaterial war aufgrund lückenhafter Daten in den arttrennenden Merkmalen kaum in die Analyse einzubeziehen. Jedoch wurden beide Spezies sowohl im Altgrabungs- wie im Neugrabungsmaterial gefunden. Anscheinend war die Einhornhöhle hauptsächlich von dem geologisch älteren Ursus deningeri besiedelt und dessen Fossilien durch Umlagerungsprozesse während der Sedimentationsgenese in der Höhle mit den Überresten des jüngeren Ursus spelaeus vermengt.

Abstract:

In the dissertation presented, "Biometric investigation of the stylopodium, zygopodium and metapodium of pleistocene ursids with regard to cave-bear evolution and classification of material from the Einhornhöhle (Unicorn Cave) / Harz", data were evaluated from the upper pliocene Ursus etruscus, the pleistocene Ursus deningeri and also from Ursus spelaeus. The data were gathered using 249 particular measurements on the skeletal elements humerus, ulna, radius, metacarpalia I-V, femur, tibia, fibula and metatarsalia I-V. The 2,977 fossil samples examined were from 21 sites in central Europe and exclusively from adult individuals. Because of the small number of samples the fossil material from Ursus etruscus has not been taken into consideration in the presented statistical analysis. The data from 2,890 deningeri und spelaeus specimens were analysed using uni- and multivariate methods. The analyses have two goals. One is to discover species-defining characteristics. The other is to classify the ursid finds from the Unicorn Cave / Scharzfeld / Harz as belonging to both species, Ursus deningeri or Ursus spelaeus. A lack of accurate detailed stratigraphic information regarding the larger part of the 595 findings has lead to disagreement concerning individual species affiliation. This is especially true of the material from the older excavations. It has not so far been possible to ascertain the absolute geological age of the fossils found. For each of the 16 postcranial skeletal elements to be analysed between 8 and 25 variables and up to 56 cases per site are present (altogether 249 individual measurements). Width and depth of the joint surfaces were introduced as new sections of measurement. The statistical evaluation was partly univariate (t-test, Welch’s t-test and Mann-Whitney U-test ) and partly multivariate (regression analysis, discriminant analysis, correlation analysis, factor analysis). The data from each species were examined in their entirety without subgroups such as gender separation – no particular measurement or combination thereof allowed a conclusive gender determination. Significant differences between Ursus deningeri and Ursus spelaeus were found univariate in 26 of the 249 variables. The diagnostic characteristics thus found were tested for their correlation with geological age. In 36 variables from Ursus deningeri and 31 from Ursus spelaeus a positive linear regression was found; eight of the sections of measurement showed congruence in the parameters. In the examined timeframe from 900,000 to 30,000 years ago these values decreased. This is so far remarkable, in that the mean values of the data sets analysed show that Ursus spelaeus was generally larger than Ursus deningeri. There is an apparent negative correlation between the values measured and the relative size of the ursids: an allometric phenomenon. Ursus deningeri for example shows a shortening in the largest length values combined with further diminishments of characteristics mainly of the metapodial bones, whereas Ursus spelaeus shows similar changes mainly of the stylopodium. A concurrence of the trends found by regression analysis with the 26 significant species-separating attributes could be determined in two characteristics of Ursus deningeri; one the distal width of the diaphysis of the tibia (BDd), the other the smallest epicondylus width of the metatarsalia V (SBdE). The larger size of Ursus spelaeus compared with Ursus deningeri is generally considered to be associated with an increased herbivory. This is supported by the generally different proportions of proximal and distal skeletal elements of the two ursid species. The longer metapodial bones of Ursus spelaeus combined with the shortened stylopodium appear to be associated with increased wandering activity over large distances. The lengthening of the zygopodium of the front extremity in relation to the humerus, observed during the course of this investigation, also indicates an increased cursoriality. This could be connected with the herbivorous diet, possibly also with particular plant species. Forty-three specific combinations of variables were identified as capable of being used to distinguish Ursus deningeri from Ursus spelaeus. Twelve of these exhibit a statistical probability of 100% for correct classification. These and other combinations of variables were tested by factor analysis for their discriminatory power, which allowed factors to be traced which may have been responsible for the differences measured, in effect for the evolutionary development of the ursid species. Here the correlation analysis functioned as a preliminary screening, to as far as possible eliminate variables with identical information content. Fifteen of the sixteen skeletal elements proved eminently suitable, in the discriminant analysis. Five sets of variables on humerus, ulna, metacarpalia V and metatarsalia V, already recognized as outstanding classification characteristics, show the species-separating factor. These methods of species differentiation were tested using the findings from the Unicorn Cave (Einhornhöhle). Of the 595 postcranial findings from the Unicorn Cave 108 could be allocated according to species. 55% of the ulna, metacarpalia III and IV, femur, metatarsalia II, IV, and V findings were classified with 100% probability as Ursus deningeri. 75% of the metatarsalia I with a probability > 95%, 83% of the radius, metacarpalia I, II and V and metatarsalia III with probability > 90%, all as Ursus deningeri. Altogether, most of the postcranial skeletal elements with complete data for the given combinations of characteristics were classified as the older Ursus deningeri. Findings from newer excavations proved mostly too fragmentary and lacking in the necessary species-distinguishing characteristics to be used in the analysis. Specimens from both species have however been found in old and new diggings. Apparently the cave was chiefly inhabited by the geologically older Ursus deningeri, fossils of which became rearranged and mixed with those of the later Ursus spelaeus during the course of sedimentation.

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