Les Enfants de Dieu : Rituelle Performanz, Schamanismus und Besessenheit in der Pfingstbewegung der südfranzösischen Gitans

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Zitierfähiger Link (URI): http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bsz:21-opus-22184
http://hdl.handle.net/10900/46260
Dokumentart: Dissertation
Erscheinungsdatum: 2005
Sprache: Deutsch
Fakultät: 5 Philosophische Fakultät
Fachbereich: Sonstige - Kulturwissenschaften / Kunstgeschichte)
Gutachter: Hauschild, Thomas
Tag der mündl. Prüfung: 2005-12-05
DDC-Klassifikation: 390 - Bräuche, Etikette, Folklore
Schlagworte: Religiöse Bewegung , Zigeuner , Performanz , Globalisierung , Schamanismus
Freie Schlagwörter: Besessenheit , Trancekult , Tanz , Südfrankreich
Religious movement , Gypsies , Globalization , Performance , Shamanism
Lizenz: http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=de http://tobias-lib.uni-tuebingen.de/doku/lic_mit_pod.php?la=en
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Inhaltszusammenfassung:

Diese Studie untersucht den Zusammenhang von Globalisierungsprozessen, Ritual und religiöser Bewegung. Die Arbeit will ein holistisches Bild über Entstehungsbedingungen, Mythos, rituellen Komplex und über die Transformationsprozesse, welche die Pfingstbewegung in einer Gemeinschaft von südfranzösischen Zigeunern ausgelöst hat, vermitteln. Profane und religiöse Rituale stehen im Zentrum der ethnologischen Betrachtung, die ich auch als einen Beitrag zur aktuellen Performanz-Theorie verstehe (Tambiah 1979; Turner 1985 & 1989; Schechner 1985 & 1990, Koepping und Rao 2000; Sax 2002 ect.). Im Zeitalter der Globalisierung sorgen rituelle Performanzen dafür, dass bestehende Ordnungen aufrechterhalten und ethnische Identitäten bekräftigt werden, oder sie funktionieren als Katalysatoren für gesellschaftliche Erneuerungen, indem sie neue Sinn- und Bedeutungswelten sowie transformierte soziale Beziehungen und Selbste schaffen. Beide Idealtypen von Ritualen sind in Gestalt zweier Übergangsriten vertreten: Der erste Typus als Hochzeitsritus der katholischen Gitans, der versucht, der fortschreitenden Auflösung der Kultur Einhalt zu gebieten und der zweite, regenerativ-reformerische Typus, repräsentiert durch die Heilungsperformance der Pfingstler, die auf eine innere Transformation abzielt und ethnische zu spirituellen Personen umwandeln will. Der erste Teil der Studie beschreibt die überlieferte Kultur und Sozialordnung der Gitans und deren Veränderungen im Laufe der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Eingerahmt und verortet durch den Hochzeitsritus, wird ein Überblick über die sozio-politische Ordnung, Gender, Geschlechterbeziehungen und Frauenwelten, lokaler Katholizismus, Ethnizität und Identitätspraktiken, sowie über Alltagsleben und Lebensart dieser Minderheit gegeben. Es folgt die Darstellung und Interpretation einer Hochzeit, die heute mehr einer ethnischen Performance, als einer reinen Allianzenbildung gleicht. Der rituelle Prozess bewerkstelligt die soziale Transformation vom Mädchen zur Frau. Die überlieferte sozio-politische Ordnung, welche in der Herrschaft der Männer über die Frauen und die der Älteren über die Jungen besteht, wird, unterstützt durch Tanz, Dramatisierung und ritualsierte Gewalt, mit den Mitteln körperlicher Performanz in Szene gesetzt und legitimiert. Das Ritual wirkt mystifizierend, da es die reale Geschichte der Moderne, die von einem zunehmenden Niedergang herkömmlicher Ideologien und Praktiken handelt, kunstvoll poetisch umschreibt. Seine Machtwirkungen bleiben notwendig eingeschränkt, nicht zuletzt durch die Tatsache, dass neue religiöse Autoritäten schon längst das Terrain des Alltags eingenommen haben. Der zweite Teil beschäftigt sich mit dem religiösen Konflikt zwischen Vertretern beider Glaubensrichtungen, die in Machtkämpfen und politischen Rivalitäten zwischen traditionaler und spiritueller Autorität ihren Ausgang nehmen. Das soziale Drama stellt auch das Ergebnis einer rigorosen Abtrennungspolitik der Gitans-Priester dar, die den herkömmlichen Familienzusammenhalt für ihre Mission fürchten. Die Gemeinschaft spaltet sich ideologisch, wobei die Trennungslinie häufig durch eine einzige Großfamilie läuft. Der letzte Teil handelt von den Gitans in der Pfingstbewegung. Modernisierungs- und Globalisierungsprozesse, Assimilierungspolitik und mangelnde ökonomische Wettbewerbsfähigkeit sind nicht spurlos an der ethnischen Gruppe vorbeigegangen. Entfremdung, Krankheit und soziales Chaos sind die unmittelbaren Folgen. Eine der Aufgaben der religiösen Bewegung ist es, den geschwächten, sozialen Körper zu heilen, die gefährdete Ordnung wiederherzustellen und die angegriffenen Menschen zu regenerieren. Anhand des religiösen Mythos, der den ewigen Kampf zwischen Gott und Satan heraufbeschwört, kann die äußere Welt imaginativ umgewertet werden. Satan und die bösen Geister dominieren das menschliche Leben in der Endzeit und dämonische Besessenheit steht symbolisch stellvertretend für die Erfahrung von Fremdbestimmtheit, Identitätsverlust und Unterdrückung. Exorzistische Riten sollen den Übergang ins sakrale Reich Gottes herbeiführen und neue, freie Menschen aus den Gitans machen. Die Ritualspezialisten sind Priester-Schamanen, die das Leben schenken können und Krankheit und Tod bekämpfen. Sie arbeiten mit klassischen Ekstase- oder Trancetechniken und performativen Praktiken, um die Besessenen von der Macht des Bösen zu befreien, so dass sie nach einer erfolgreichen Intervention "wiedergeboren" werden. Die Transformation von weltlichen (kranken) zu spirituellen (gesunden) Selbsten wird durch die enorme Wirksamkeit der rituellen Performanz, die koordinierte rituelle Zusammenarbeit von Priestern, Musikern und Kultgemeinschaft erreicht.

Abstract:

This study examines the relation between processes of globalization, ritual and religious movement. It is also an ethnography of a Gypsy subgroup, the Gitans catalans, who live widely dispersed in the Mediterranian region of Southern France. The following work intends to present a holistic picture of the socio-political origins, the myth, the ritual complex and the processes of transformation, the pentecostal movement has put into motion in a Gypsy community in Provence. Secular as well as religious rituals constitute the center of my anthropological reflection. Thereby I would also like to make a modest contribution to contemporary Performance theory (Tambiah 1979; Turner 1985 & 1989; Schechner 1985 & 1990, Koepping und Rao 2000; Sax 2002 ect.). In the age of globalization, ritual performances like mariage or funeral rituals can provide for the functioning and maintenance of prevalent, but conservative socio-cultural orders. They also contribute greatly to affirming and readjusting ethnic identities – identities which have been threatend by the politics of assimilation, rapid economic change and relentless capitalism. On the contrary, performances held in the context of a religious mouvement, can serve as a trigger for profound social renewal and regeneration. By providing adepts with a mythological chart, which serves to the imaginative reinvention of the world, Gypsy priests actively work on the psychological transformation of the possessed person. By healing the alienated individual by means of shamanic intervention, the social body gets a chance to be gradually restored. Formerly locally defined, ethnic identity gives way to an encompassing spiritual identity, which unites pentecostal christians around the globe. The Gypsies of Southern France are able to reinscribe and to legitimate certain traditional ideologies and practices through adherence to Pentecostalism and thereby preserve structural continuity, while at the same time they culturally prepare themselves for entering the modern, globalized stage.

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