Inhaltszusammenfassung:
Schmerz ist ein komplexes Phänomen, welches große Aufmerksamkeit in unterschiedlichen wissenschaftlichen Disziplinen erfährt und dennoch nicht umfassend und erschöpfend beschrieben werden kann. Im Rahmen der Handlungsfelder Leistungssport und Sadomasochismus bleibt bis dato offen, warum Sportler und SM-Akteure den Schmerz billigend in Kauf nehmen oder geradezu aufsuchen,
obwohl er im Alltagsverständnis als Negativum begriffen wird, welchem eher Vermeidungsstrategien entgegengesetzt werden. Insbesondere im Hochleistungssport ist Schmerz ein ständiger Begleiter. Die dem Schmerz widerstehenden Athleten genießen aufgrund der Fähigkeit zum Schmerzwiderstand häufig gesellschaftliche Anerkennung und Heldenstatus. Im Kontrast dazu werden Sadomasochisten, die Schmerz erfahren und einen vergleichbaren Schmerzwiderstand aufzeigen, gesellschaftlich abgewertet,
pathologisiert und nicht selten stigmatisiert. Die Möglichkeit für Leistungssportler Anerkennung und Heroisierung zu erlangen reichen als Erklärung für das Aufsuchen des Schmerzkontextes nicht aus. Auch die allgemein behauptete „Schmerzliebe“ der Sadomasochisten erscheint als Begründung unzureichend. Um die Erkenntnisse in dieser Hinsicht zu erweitern, wird vorliegend ein qualitatives Studiendesign gewählt mit dem Ziel, aus Sicht der Betroffenen die Bedeutung und Einordnung des Schmerzes in dem
jeweiligen spezifischen Kontext zu beleuchten, zu vergleichen und, sofern bestehend, die Unterschiede und Parallelen herauszuarbeiten. Anhand von 8 Interviews mit vergleichbarer soziodemographischer Aufteilung für Leistungssportler und Sadomasochisten wurden wiederkehrende Motive herausgearbeitet.
Methodisch wurde auf qualitative Interviews zurückgegriffen. Im Rahmen der Auswertung- nach Mayring- wurden zwei Hauptgruppen an Kategorien – die funktionalen Ziel- und die erlebensbezogenen Metakategorien - gebildet und mit weiteren modulierenden und beschreibenden Kategorien in ein beide Untersuchungsgruppen umfassendes Modell integriert. Die Ergebnisse zeigen, dass in beiden Gruppen die Grenzerfahrung eine zentrale Rolle spielt, mittels derer Intensität, Kontrollerleben und insbesondere
Identitätskonstruktion als Zielkategorien ermöglicht und sogar angestrebt werden. Die
Erlebnismodalitäten weisen ebenfalls Parallelen auf – die Instrumentalisierung des Schmerzes an sich, das Erleben von Alterität und Nutzen des Schmerz(raums) als Substitut sowie nicht zuletzt ähnliches Erleben und Beschreiben des Phänomens Schmerz in seinen grundlegenden Eigenschaften. Die vorliegenden Ergebnisse legen nahe, dass sich beide Gruppen in ihren Erlebensqualitäten und -Zielen weniger gravierend unterscheiden als auf Basis bisheriger Literatur zu vermuten wäre.