Inhaltszusammenfassung:
Die räumliche Navigation wird als Modellmechanismus genutzt um den Einfluss von Schlaf auf die Gedächtnisbildung zu untersuchen. Die bisherigen Erkenntnisse über den genauen Beitrag von Schlaf zum räumlichen Gedächtnis und der räumlichen Navigation sind jedoch uneinheitlich. Diese Abweichungen zwischen den Studien werden unter anderem dadurch gefördert, dass das räumliche Gedächtnis auf einem komplexen Schema beruht, das verschiedene Gedächtnissysteme und deren Koordination untereinander beinhaltet. In der vorliegenden Studie haben wir versucht diese Gedächtnissysteme durch das Aufgabendesign in einer virtuellen Realität zu trennen und damit die Interaktion zwischen den Systemen besser beurteilen zu können. Unser Augenmerk richtete sich dabei auf die Hypothese, dass durch Schlaf eine Integration striataler und hippocampaler räumlicher Repräsentationen gestärkt wird. Dafür wurden Probanden zufällig einer Schlaf- oder Wachgruppe zugewiesen und lernten Objektlokalisationen in einer virtuellen Umgebung die zwei Hinweisreize enthält, eine lokale, proximale Landmarke zur Stimulation einer striatalen Routenstrategie und einen Grenzwall zur Stimulation einer hippocampalen Orientierungsstrategie. Nach zwei Nächten Schlaf oder einer wachen Nacht gefolgt von einer Nacht Erholungsschlaf lernten sie erneut Objektlokalisationen in der bekannten Umgebung die nun entweder die Landmarke oder den Grenzwall enthielt (‚Lernen‘) und sollten nach einer kurzen Pause die Objekte, die sie relativ zur Landmarke gelernt haben in der Grenzwallumgebung lokalisieren und umgekehrt (‚Abruf‘). Wir stellten die Hypothese, dass dies der Schlafgruppe beim Abruf genauer und schneller gelingen sollte, wenn durch den Schlaf eine Integration in ein übergeordnetes Schema stattgefunden hat, das implizit beide Hinweisreize enthält und dadurch den Wechsel erleichtert. Die Schlafgruppe wurde in der Experimentalnacht zusätzlich mit Polysomnographen überwacht um Zusammenhänge zwischen Schlafparametern und der Navigationsleistung feststellen zu können. Es zeigte sich, dass die Schlafgruppe zwar beim Abruf signifikant schneller war als die Wachgruppe, sich die Gruppen jedoch in Bezug auf die Navigationsgenauigkeit nicht unterschieden. Wir führen dieses Ergebnis hauptsächlich auf einen vorhandenen Baselineunterschied zwischen den Gruppen zurück, der die Interpretation der Ergebnisse erschwert. Wir konnten keine weiteren relevanten Zusammenhänge zwischen der Navigationsgenauigkeit und Kontrollparametern wie der Vigilanz, räumlicher Kompetenz, räumlichem Selbstkonzept und Ängstlichkeit feststellen. Ebenso zeigten sich in der Schlafgruppe keine Korrelationen zwischen den Schlafstadien S3 und S4, beziehungsweise der Gesamtschlafdauer und der Navigationsleistung beim Abruf. Für eine abschließende Beurteilung bleibt die Auswertung der fMRT-Daten abzuwarten, in denen sich etwaige Unterschiede in der Aktivierung der Gedächtnisareale zwischen den beiden Gruppen trotz fehlender Verhaltensunterschiede zeigen könnten.