Inhaltszusammenfassung:
Angesichts des weltweiten Anstiegs der Prävalenz von Übergewicht und Adipositas ist es von entscheidender Bedeutung, die zugrunde liegenden genetischen Faktoren besser zu verstehen Denn Adipositas stellt nicht nur einen bedeutenden Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen dar, sondern geht auch im klinischen Zusammenhang mit höheren Komplikationsraten einher. Für die in dieser Arbeit untersuchten Einzelnukleotidpolymorphismen (SNPs) - Rs1421085 (FTO-SNP1), Rs1121980 (FTO-SNP2), Rs9939609 (FTO-SNP3), Rs1137101 (LEPR), Rs12502572 (UCP1) und Rs2228145 (IL6R) - wurden in der Literatur bereits Genotypen identifiziert, die das Risiko für die Entstehung von Erkrankungen wie Adipositas, Diabetes mellitus Typ 2 oder das metabolische Syndrom erhöhen.
Die vorliegende Studie soll nun weitere Erkenntnisse über die Bedeutung dieser sechs SNPs liefern. Das Ziel der Studie bestand darin zu untersuchen, ob der jeweilige Genotyp (Minor, Heterozygot, Major) der Patientinnen und Patienten mit dem Ernährungszustand (Adipositas vs. Mangelernährung), dem Auftreten von Komplikationen, dem Diabetesrisiko oder der Verweildauer in Verbindung steht. Darüber hinaus wurden die Prävalenzen der SNP-Varianten in der Studienpopulation mit der Verteilung in europäischen und weltweiten Populationen verglichen und mit den bekannten Risikovarianten aus der Literatur abgeglichen.
Die Bestimmung der SNPs der Probandinnen und Probanden fand in dieser explorativen klinisch-experimentellen Studie mittels einer Laboranalyse statt. Dafür wurde den Studienteilnehmenden während ihres stationären Aufenthaltes in der BG Klink Tübingen Blut entnommen, welches dann zur DNA-Isolierung, ARMS-PCR und Gelelektrophorese verwendet wurde. Zusätzlich füllten die Patientinnen und Patienten Fragebögen aus, sodass die Ergebnisse der Laboranalyse mit den patientenbezogenen Daten (Alter, Geschlecht, BMI, Taillenumfang, Verweildauer, Komplikationen, CRP) sowie den Ergebnissen der Fragebögen (NRS, FINDRISC) explorativ analysiert werden konnten.
Bei männlichen Patienten waren die Minor-Varianten der drei untersuchten SNPs des FTO-Gens signifikant mit einem höheren BMI und Taillenumfang assoziiert.
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Zudem war die Minor-Variante teilweise mit einem signifikant höheren Anteil an Diabetikern sowie einem höheren FINDRISC verbunden. Bei den untersuchten Frauen hingegen waren die Minor-Varianten mit einem niedrigeren BMI und Taillenumfang assoziiert. Die Major-Variante des IL6R und LEPR war mit einem signifikant höheren CRP-Wert assoziiert. Die Komplikationsrate war bei adipösen Patientinnen und Patienten in der Studienpopulation erhöht, ein Zusammenhang mit den untersuchten Genotypen wurde nicht festgestellt.
Mit dem vorliegenden Forschungsvorhaben konnte ein signifikanter Einfluss bestimmter Risikoallele auf ein erhöhtes Risiko für Adipositas, Insulinresistenz oder auftretende Entzündungen identifiziert werden, was das Ergebnis vorheriger Studien untermauert. Die in dieser Studie identifizierten geschlechtsspezifischen Unterschiede sollten in zukünftigen Forschungsprojekten weiter untersucht werden. Dabei wäre es besonders wichtig, hormonelle Faktoren (wie den Status vor und nach der Menopause), körperliche Aktivität, Ernährung und die Körperfettverteilung im Studiendesign zu berücksichtigen. Zukünftige Studien könnten dazu beitragen, Risikofaktoren für Adipositas und damit assoziierte Erkrankungen sowie Komplikationen besser zu erkennen und durch Risiko-Scores die Prävention und Personalisierung von Therapien zu verbessern.