Inhaltszusammenfassung:
Die Pankreatoduodenektomie stellt bei malignen Raumforderungen sowie zystischen oder entzündlichen Veränderungen im Bereich des Pankreaskopfes eine wichtige, aber auch komplikationsreiche Therapieoption dar. Insbesondere die postoperative Entwicklung einer Pankreasfistel (POPF) führt bei diesen Patienten zu einer erhöhten Morbidität und Mortalität, zum verlängerten Krankenhausaufenthalt und gesteigerten Kosten für das Gesundheitssystem. Ziel dieser Arbeit ist es, die Risikofaktoren zur Ausbildung einer klinisch-relevanten Pankreasfistel (CR-POPF) zu erkennen und mit den gängigen Risikoscores zu vergleichen.
Es wurden die prä-, peri- und postoperativen Daten von 61 Patienten retrospektiv ausgewertet, welche sich von September 2016 bis Dezember 2018 einer Pankreatoduodenektomie am Universitätsklinikum Tübingen (UKT) unterzogen. Dabei wurde als primärer Endpunkt die Entwicklung einer klinisch-relevanten Pankreasfistel festgelegt. Diese wurden nach den Kriterien der International Study Group on Pancreatic Fistula (ISGPS) von 2016 in Grad B- und Grad C-Fisteln unterteilt. Sekundäre Endpunkte waren das Versterben des Patienten beziehungsweise das Ende der Datenermittlung im Juni 2020.
Zur statistischen Auswertung wurde der Pearson-Chi-Quadrattest für kategoriale Daten und die logistische Regressionsanalyse für stetige Parameter verwendet. Bei allen Parametern, bei denen ein Signifikanzniveau von p < 0,05 hinsichtlich des POPF-Risikos ermittelt wurde, wurde zusätzlich eine multiple logistische Regressionsanalyse durchgeführt, um abhängige Parameter von unabhängigen Risikofaktoren unterscheiden zu können.
Unter den 61 eingeschlossenen Patienten entwickelten 17 Patienten (mindestens) eine klinisch-relevante Pankreasfistel (27,9 %). Zwei der Patienten entwickelten sowohl eine Pankreasfistel vom Grad B als auch vom Grad C, sodass 7 Patienten der Gruppe mit Grad B-POPF (11,5 %) und 12 Patienten der Gruppe mit Grad C-POPF (19,7 %) zugeordnet werden konnten. Im Zeitraum der Datenerfassung starben 9 Patienten. Bei drei dieser Patienten wurde im postoperativen Verlauf eine klinisch-relevante Pankreasfistel diagnostiziert (17,6 % vs. 13,6 % ohne POPF, p = 0,7).
Als Risikofaktoren für eine CR-POPF konnte die Pankreaskonsistenz (hart 4,5 % vs. weich 47,4 %, p = 0,003) und ein geringer Pankreasgangdurchmesser (p = 0,038), sowie das verwendete Fadenmaterial für die Pankreatojejunostomie (Prolene 57,1 % vs. anderes Material 16,2 %, p = 0,037) ermittelt werden. Bei Entwicklung einer postoperativen Sepsis konnte ebenfalls eine erhöhte POPF-Rate festgestellt werden (75,0 % vs. 20,8 % ohne Sepsis, p = 0,004). Auch eine Gangschienung fiel durch eine erhöhte Häufigkeit an Pankreasfisteln auf (42,9 % vs. 15,2 % ohne Schiene, p = 0,016). Bei der histologischen Untersuchung stellte sich die Diagnose eines Karzinoms hingegen als Schutzfaktor vor CR-POPF dar (20,0 % vs. 50,0 % bei einer anderen Diagnose, p = 0,048).
Beim Vergleich der Patienten, die eine Grad C-Fistel entwickelten, mit jenen Patienten ohne Pankreasfistel, konnte ein Alter über 60 Jahre (100,0 % vs. 70,5 %) und das Auftreten einer postoperativen akuten Pankreatitis (25,0 % vs. 2,3 %, p = 0,028) als POPF-Risikofaktor identifiziert werden.
Bei Anwendung der multiplen logistischen Regressionsanalyse konnten nur die Pankreaskonsistenz, das Nahtmaterial der Pankreatojejunostomie und die histologische Diagnose als unabhängige Risikofaktoren einer CR-POPF bestätigt werden.
Kongruent zu den in dieser Studie ermittelten Daten, werden die Parameter Pankreaskonsistenz und Pankreasgangdurchmesser auch in den gängigen POPF-Risikoscores als Faktoren mit einbezogen. Der Fistula Risk Score (FRS) nach Callery et al. bindet zusätzlich die auch hier bestätigte histologische Diagnose in die Berechnung mit ein. Der vierte Parameter im FRS, der intraoperative Blutverlust, konnte anhand der vorliegenden Patientendaten nicht als Risikofaktor ermittelt werden. Auch in der Literatur wird dieser Parameter hinsichtlich des folgenden POPF-Risikos weiterhin stark diskutiert. Dennoch konnte eine signifikante Übereinstimmung zwischen dem FRS (als stetiger Wert) und der Ausbildung einer Pankreasfistel bei den in diese Studie eingeschlossenen Patienten festgestellt werden (p = 0,01), sodass der FRS als zuverlässiger Score zur Abschätzung des POPF-Risikos gewertet werden kann.
Ähnlich waren die Ergebnisse bei der Validierung des updated alternative Fistula Risk Score (ua-FRS) nach Mungroop et al. (p = 0,003) und des Risikoscores nach Ansorge et al. (p = 0,014), welche beide ebenfalls die Pankreaskonsistenz und den Gangdurchmesser des Ductus pancreaticus in ihre Berechnungen miteinfließen lassen.
Die Schienung des Pankreasganges als Risikofaktor für eine Pankreasfistel wird in der Literatur kontrovers diskutiert. Vor allem Selektionsbias bei Durchführung einer nicht-randomisiert-kontrollierten Studie stellen hierbei ein Problem dar. Auch in unserer Studie zeigte sich keine Signifikanz mehr, sobald nur Patienten mit weicher Pankreaskonsistenz und schmalem Gangdurchmesser untersucht wurden, was ebenfalls auf ein Selektionsbias hindeutet.
Ähnlich verhielt es sich mit dem Nahtmaterial für die Pankreatojejunostomie. Hierbei wurde Prolene, welches als Risikofaktor für eine Pankreasfistel ermittelt wurde, vor allem bei Patienten mit insgesamt erhöhtem POPF-Risikoprofil eingesetzt. Daher kann auch hier, aufgrund des retrospektiven Studiendesigns, ein Selektionsbias nicht ausgeschlossen werden.
Sowohl bei der postoperativen Sepsis als auch der postoperativen akuten Pankreatitis (PPAP) konnte nicht sicher ermittelt werden, ob die Pankreasfistel als Folge oder Ursache auftrat, da die Diagnosestellung meist zum gleichen Zeitpunkt erfolgte.
Daraus schließt sich, dass weitere, insbesondere prospektive randomisiert-kontrollierte Studien zum Thema erfolgen sollten. Sinnvoll wäre dabei die Betrachtung nur einzelner Risikofaktoren, um eine bessere Randomisierung sicherstellen zu können.