Inhaltszusammenfassung:
Ist abweichendes Verhalten die Folge stabiler Persönlichkeitsmerkmale oder resultiert es aus variablen Bedingungen der sozialen Umwelt? Diese alte, aber immer noch aktuelle Kontroverse bildet den Hintergrund für die vorliegende Re-Analyse der Tübinger Jungtäter-Vergleichsuntersuchung (TJVU). In ihr wurde die Kriminalitäts- und Lebensgeschichte von 200 jungen Straftätern und 200 Probanden eines repräsentativen Vergleichssamples von der Geburt bis ins fortgeschrittene Erwachsenenalter verfolgt. Den zentralen theoretischen Bezugspunkt der Arbeit bilden die neueren entwicklungsdynamischen Theorieansätze, insbesondere die "altersabhängige soziale Kontrolltheorie" von Sampson und Laub, die kontrovers zu der "allgemeinen Kriminalitätstheorie" von Gottfredson und Hirschi diskutiert wird. Die Analysen zeigen, dass 1.) bei einer lebensgeschichtlichen Betrachtung Brüche und Veränderungen im Legalverhalten unverkennbar sind, 2.) Probanden trotz unterschiedlicher Sozialisationsbedingungen in Kindheit und Jugend eine ähnliche Kriminalitätsentwicklung in ihrer Erwachsenenphase aufweisen können, und 3.) ein Ausstieg aus offizieller strafrechtlicher Auffälligkeit einhergeht mit einem Einstieg in einen normkonformen Lebensstil. Ausschlaggebend für den Beginn, den Abbruch oder die Fortsetzung einer kriminellen Karriere, so die Hauptthese der Autoren, ist weniger die Vorgeschichte, als vielmehr die jeweilige aktuelle soziale Einbindung und die damit verbundene soziale Kontrolle eines Individuums.