Inhaltszusammenfassung:
Lotte Reinigers Silhouettenfilme nutzten mediale Eigenschaften von Abstraktion und Imagination sowie kulturelle Kodes als visuelle Strategie, um bekannte Geschichten bildlich zu kommentieren und andersartig zu erzählen. Kara Walker setzt diese Strategie bildlichen Erzählens in der zeitgenössischen Kunst fruchtbar fort. Ihre großformatigen Silhouetten machen in "Slavery! Slavery!" (1997) die Schwierigkeit sichtbar, eine afroamerikanische Geschichte zu erzählen, die nicht von Mythen und Stereotypen der weißen Bildkultur und Literatur, afroamerikanischen Selbstzensuren und Ausblendungen und Tabus des kollektiven Gedächtnisses überformt ist. Sie bespielt diese kulturellen Praktiken und die medialen Eigenschaften der Silhouette, um dem Betrachter im Prozess der Visualisierung Lücken im US-amerikanischen Geschichtsbewusstsein zu vergegenwärtigen und Erzählmuster afroamerikanischer Geschichte zu bewältigen. Vieldeutige Silhouetten verweigern Auflösungen in flüssige Narrationen und erklären, dass Verflechtungen und Zusammenhänge von Realitäten und Erzählmustern erst noch reflektiert und zu einer Geschichte konstituiert werden müssen.