Das Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung ist seit jeher eines der am meisten
diskutierten Probleme in demokratischen Gemeinwesen - vor allem, aber nicht nur, wenn
es zu Auseinandersetzungen zwischen der durch die Polizei repräsentierten "Staatsmacht"
und einzelnen, z.B. demonstrierenden Bevölkerungsgruppen kommt. Empirische Studien
konnten aber auch zeigen, daß sich die Polizei in ihrem Alltagshandeln prinzipiell von der
Bevölkerung verkannt fühlt und die Auffassung der Bürger von der polizeilichen Tätigkeit
falsch (und zwar zu ihrem Nachteil) einschätzt. Die Bevölkerung hat - in allen Befragungen,
zu allen Zeiten und an allen (auch kriminalitätsträchtigen) Orten ein relativ
positives Bild von der Polizei - zumindest ein positiveres, als die meisten Polizeibeamten
annehmen.
Explizit thematisiert wird dieses komplexe Verhältnis zwischen Polizei und Bevölkerung
dennoch relativ selten; für die Polizei ist der einzelne Bürger zu oft das anonyme "polizeiliche
Gegenüber", und dem im Konflikt mit der Polizei stehenden Bürger fallen wiederum
diverse Negativbezeichnungen für den einschreitenden Polizeibeamten ein. Entsprechend
wurden immer wieder Versuche unternommen, das Verhältnis zwischen Polizei und
Bevölkerung zu verbessern - vor allem, weil man sich davon eine effektivere Verbrechensbekämpfung
versprach, und weniger, weil man die Polizei als wichtigen
Bestandteil des demokratischen Gemeinwesens wieder mehr an die Bevölkerung
heranführen wollte.
In den letzten Jahren wurden allerdings unter dem Oberbegriff der gemeinwesenorientierten
Polizeiarbeit ("Community Policing") zunehmend Ansätze vor allem im
Ausland diskutiert, die sich nicht nur vordergründig um eine Verbesserung der Beziehungen
zwischen Bevölkerung und Polizei bemühen, sondern tiefergehende Ansätze
polizeilichen Alltagshandelns entwickeln wollen.
Diese Bemühungen sind insbesondere vor dem Hintergrund einer veränderten Betonung
der Verbrechensverhütung im polizeilichen Selbstverständnis und Aufgabenspektrum zu
sehen. Nicht mehr die direkte Kriminalprävention steht im Vordergrund, sondern das
Interesse, Kriminalität als eines von vielen Problemen und Konfliktebereichen im
Gemeinwesen zu sehen und polizeiliches Handeln entsprechend auszurichten und zu
gewichten.
Im internationalen Vergleich ist dieser Trend in der Bundesrepublik Deutschland noch
relativ gering ausgeprägt. Hier wird noch immer zu häufig das Bild des Polizeibeamten als
Verbrechensbekämpfer ("Crime Fighter") gesehen und zu wenig der Idee einer neuen,
bürger- und gemeinwesenorientierten Polizei gefolgt. Zwar bestehen auch hierzulande,
insbesondere auf örtlicher Ebene beachtliche Ansätze, durch mehr Bürgernähe und
gemeinwesenbezogene Maßnahmen die Verbrechensverhütung zu intensivieren. Der Erfolg
polizeilichen Handelns wird aber immer noch vordergründig an Aufklärungsquoten
festgemacht, obwohl außerhalb wie innerhalb der Polizei längst bekannt ist, daß diese
Quoten zum einen manipulierbar und zum anderen de facto von der Polizei selbst kaum
beeinflußbar sind, da der Eigenanteil polizeilicher Aufklärung bei weniger als 10% an allen
aufgeklärten Straftaten liegt.
Im Ausland, und hier vor allem in Nordamerika, aber auch in manchen europäischen Ländern,
wurde demgegenüber schon vor längerer Zeit erkannt, daß nur eine Polizei, die
optimal in das Gemeinwesen eingebunden ist, effektive Arbeit leisten kann und sich dieser
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Effektivitätsbegriff nicht (oder zumindest nicht vordergründig) an dem Anteil der
aufgeklärten Straftaten festmachen läßt.
Als beim 10. Internationalen Kongreß für Kriminologie im September 1988 in Hamburg
ein Arbeitskreis zum polizeilichen Alltagshandeln stattfand, wurde die Idee geboren, die
von internationalen Experten gehaltenen Referate in deutscher Fassung einem größeren
Kreis von Interessierten zugänglich zu machen.
Dies geschieht mit dem vorliegenden Band, in den wir zusätzlich einige Arbeiten deutscher
Autoren, die im Rahmen des genannten Workshops nicht zu Wort gekommen waren, mit
aufgenommen haben.